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Crossroads: Ein Schlüssel zu allen Mythologien Jonathan Franzen (Autor), Bettina Abarbanell - Übersetzer (Autor), Sascha Rotermund (Erzähler), Der Hörverlag (Verlag)
Der größte Roman, den Jonathan Franzen seit den Korrekturen geschrieben hat. Sein Meisterwerk!
Es ist der 23. Dezember 1971, und die Familie Hildebrandt steht an einem Scheideweg. Der Vater Russ, zweiter Pastor an einer Vorstadtkirche in Chicago, ist bereit, sich aus seiner Ehe zu lösen, die ihm freudlos erscheint - vorausgesetzt, seine patente, aber labile Frau Marion löst sich zuerst. Ihr ältester Sohn, Clem, kommt über die Feiertage aus dem College nach Hause, nachdem er eine moralische Entscheidung gefällt hat, die seinen Vater erschüttern wird. Clems Schwester Becky, lange Zeit Beliebtheitskönigin in ihrer High-School-Klasse, ist in die Gegenkultur der Ära abgedriftet, während ihr jüngerer Bruder Perry, der es satt hatte, Gras zu verkaufen, um sein Gekiffe zu finanzieren, fest entschlossen ist, ein besserer Mensch zu werden. Jeder der Hildebrandts sucht eine Freiheit, die jeder der anderen zu durchkreuzen droht.
Ungekürzte Lesung mit Sascha Rotermund.
Produktinformation
Spieldauer 26 Stunden und 36 Minuten
Geschrieben von Jonathan Franzen, Bettina Abarbanell - Übersetzer
Gesprochen von Sascha Rotermund
Audible.de Erscheinungsdatum 05 Oktober 2021
Verlag Der Hörverlag
Format Hörbuch
Version Ungekürzte Ausgabe
Sprache Deutsch
ASIN B09F9TJ68S
Amazon Bestseller-Rang Nr. 447 in Audible Hörbücher & Originals (Siehe Top 100 in Audible Hörbücher & Originals)
Nr. 4 in Literatur zu Familienleben
Nr. 11 in Zeitgenössische Literatur (Audible Hörbücher & Originals)
Nr. 75 in Familienromane
Der
US-amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen bildet unter den
lebenden Autoren fast eine eigene Liga. Kaum einem anderen gelingt es,
seinen Figuren derart viel Tiefe und psychologische Glaubwürdigkeit
einzuhauchen wie dem heute 62-Jährigen, der vor 20 Jahren mit seinem
Roman „Die Korrekturen“ – ausgezeichnet mit dem National Book Award –
Weltruhm erlangte.
In seinem neuesten Wälzer „Crossroads“, dem
Auftakt einer Trilogie, geht‘s um eine sechsköpfige Familie Anfang der
1970er Jahre, in der jedes einzelne Mitglied mit nicht eben geringen
Problemen zu kämpfen hat. Bei keinem anderen Autor ist auch der
Drama-Anteil so hoch wie bei Franzen. In seinen Romanen geht‘s immer um
die ganz großen Themen des menschlichen Daseins: Liebe, Sex, schwerste
Zerwürfnisse unter Partnern und familiärer Zusammenhalt.
In
„Crossroads“ ist da zunächst Vater Russ Hildebrandt, ein evangelischer
Pastor, der nur eines im Sinn hat: Er muss ein anderes Gemeindemitglied,
Frances, für sich gewinnen – am besten, um gleich ein ganz neues Leben
mit ihr zu beginnen. In der Gemeinde hat er einen aufstrebenden jungen
Mitarbeiter zum Erzfeind. Und da ist Marion, seine dickliche und
psychisch labile Frau, die von ihrem Ex-Lover Bradley träumt. Da ist der
älteste Sohn Clem, der Hals über Kopf sein Studium abbricht, um mit der
Armee nach Vietnam zu gehen. Da ist die religiöse Becky, die die ersten
Freuden und Qualen der Liebe mit Gemeindemitglied Tanner erlebt, und da
ist der geniale, aber schwerst drogenabhängige Perry. Allein Jay ist
noch zu klein, um Probleme dieser Größenordnung zu haben.
Franzen
schreibt seinen Roman abwechselnd aus der Sicht der einzelnen Figuren,
und man ist als Leser schnell drin in dieser amerikanischen Familie –
und man trauert, wenn man sie nach über 800 hochspannenden Seiten
verlässt.
Da
wurde ich dieser Tage von der Autorin Nikoletta Kiss mit der nicht
unerheblichen Frage behelligt, warum Romane von Frauen immer nur
„Frauenliteratur“ sind und Romane von Männern „Literatur“. Ja, ob denn
Männer glauben, dass nur sie die gesamtgesellschaftlich wichtigen Dinge
beschreiben und erörtern können, derweil Frauen zwangsläufig und immer
nur bei Frauenkram stranden. Ja, ein weiteres großes Gendergespenst
stand spukend und huibuhend mit einem Male im Raum, befördert nicht
zuletzt vom aktuellen Buch von Nicole Seifert, welches da heißt „Frauen
Literatur“ und das ich mich nicht zu lesen entschieden habe. Was, wir
ahnen es, in unserer aufgehetzt vor sich hinsiedenden Gesellschaft
schnell als patriarchales Schuldeingeständnis gewertet wird.
Frei
nach der ungeahnt feministisch-aktuellen Monty Python-Weisheit „Sie
war’s, sie war’s – er war’s, er war’s!“ habe ich mich meiner, nun,
Erbschuld aber gerne gestellt, die beiden daraus resultieren Gespräche
zu den unfassbaren Nachteilen, die Frauen im Literaturbetrieb zu
erleiden haben, während meinereiner begleitet von Standing Ovations auf
einer Sänfte gen Oslo getragen wird werden dieser Tage an den üblichen
Tatorten veröffentlicht.
Was das mit Jonathan Franzen zu tun hat?
Nun, der (mittlerweile halbwegs) alte weiße Mann hat es wieder getan.
Einen Familienroman veröffentlicht. Ach, was sage ich denn, über 800
Seiten hat „Crossroads“, das ist mal weder so wuchtig, das ist fast
schon eine Saga. Dabei hatte mir der Deutschlandfunk doch erst vor
wenigen Monaten versprochen, dass die Zeit der alten weißen Männer, die
glauben, die Schicksale ganzer Generationen erzählen zu können, vorbei
sei. Ja, Pustekuchen, Franzen haut unbeirrt die nächste Version von
etwas heraus, was er aktuell beherrscht wie vermutlich kein anderer:
Vater-Sohn-Entfremdung, Mutter-Tochter-Zwist, sehnsüchtiges Aufwachsen
kontra Midlife Crisis. Sechs Mitglieder zählt die Familie Hildebrandt,
angeführt vom fremdgehwilligen evangelischen Pastor Russ und seine, man
muss es so sagen, zunehmend verfettenden, so halbwegs den Haushalt
schwingenden Ehefrau Marion. Es gesellen sich hinzu: der älteste Sohn
Clem, der gerade die Schule beendet hat und sich mit einem Ungeheuer
namens „Vietnam“ konfrontiert sieht, die fast Volljährige Tochter Becky,
die mit ihrem guten Aussehen und ihrer überbordenden Beliebtheit nichts
besseres anzufangen weiß, als sich an einen Möchtegernrocker zu hängen.
Dann der pubertierende Perry, ein hochintelligenter Beinahe-Autist, der
nur über Drogen einen Zugang zum echten Leben erhält. Und schließlich
der 9-jährige Judson, bei dem die Welt, noch, größtenteils in Ordnung
ist.
Moment: „Vietnam“? Ganz genau, wir befinden uns im Jahr
1971, die hohe Zeit der Hippies ist noch nicht ganz abgeflaut, die
Gesellschaft – Kirchengemeinde inklusive – noch voll im Umbruch.
Freiheit wird mit einem Male nicht nur neu definiert, nein, sie wird
gänzlich neu verhandelt. Jonathan Franzen beschreibt anhand der Familie
Hildebrandt, was diese wahrlich wilden Jahre nicht für die gesamte
Gesellschaft bedeuteten, sondern auch für die kleinste Einheit die
Familie. Er treibt seine Geschichte dabei aus je Kapitel wechselnden
Perspektiven voran, abgesehen von Judson leiht er allen Mitgliedern
Auge, Ohr, Herz und Mund. Was immer dann besonders faszinierend zu lesen
ist, wenn wir uns durch die eine Person ein klares Urteil über eine
Situation erlauben – um durch die Schilderung der anderen Person zu
bemerken, dass es so einfach auch nicht ist mit den Werturteilen. Gerade
Vater Russ ist, wie es sich für die Vatergeneration jener Jahre
gehörte, ein zunächst hervorragendes Ziel. Nicht nur stellt er einer
jüngeren Witwe nach, während seine Familie daheim vor die Hunde geht,
nein, auch als Pastor erweist er sich als von einer altbackenen
Selbstgerechtigkeit, die auch für den Leser kaum zu ertragen ist. Dass
es zwei Teenagermädchen sind, die ihn in trotziger, wenn auch
übertriebener „metoo“-haftigkeit einer Ächtung und beinahe Entlassung
nahebringen hat in diesem Zusammenhang einen besonderen Reiz. Die
Machtverhältnisse haben sich verändert.
Ja, wie immer bei Franzen
gibt es auch in „Crossroads“ sehr viele feministische Ansätze, Ehefrau
Marion, die sich zurück ins Leben kämpft, indem sie Russ daheim ganz
wunderbar auflaufen lässt, Tochter Becky, die sich von Vater Russ und
dem älteren Bruder Clem emanzipiert, ihren eigenen Willen durchsetzt,
ihren eigenen Lebensweg wählt – auch wenn der sich letztlich als wenig
souverän entpuppt. Dann aber sind da auch die männlichen Sichtweisen,
die Franzen psychologisch sehr gut nachvollziehbar immer anführt. Dem
Stinkstiefel Russ gegen Ende dann doch ein wenig Verständnis
entgegenzubringen, doch, das ist schon eine literarische Kunst. Zu
zeigen, dass auch eine Marion nicht immer nur Opfer ist, der Zerfall der
Familie auch auf ihr Konto geht, trägt analytisch weit. Und dann ist da
natürlich Clem. Hierzulande ist kaum bekannt, dass damals in
US-amerikanischen Fernsehshows vor einem Millionenpublikum Lose gezogen
wurde, um zu entscheiden, welche jungen Männer nach Vietnam müssen. Also
in den Tod geschickt werden. Perfider geht es kaum. Und Clem ist so ein
Losverlierer, er müsste rüber. Doch er hat einen Joker: Er wurde an der
Uni angenommen, das bringt die Zurückstellung. Also alles gut? Nein,
für ihn muss wer anderes nach Vietnam. Jemand, der nicht an die Uni
kann. Und was für Jungen sind das in der Regel? Genau: Unterschicht,
Schwarze. Zu Anfang macht Clem noch begeistert bei den wütenden
Jugendprotesten gegen den Vietnameinsatz mit. Dann fällt ihm auf, dass
das alles irgendwie nur reiche privilegierte Rich Kids sind, die da
mitlaufen, Kerle, die sich allesamt drücken konnten oder Losglück hatten
und Frauen, die echt glauben, Mut und Anstand zu beweisen, aber nie in
Gefahr waren, dem Druck nicht ausgesetzt sind. Schlussendlich findet er
diese ganze Friedensbewegung einfach nur ätzend und selbstgerecht – und
meldet sich freiwillig für Vietnam. Ich hörte von Leuten, die in diesen
Tagen was Ähnliches gleiche bei den Wohlstandskindern von Fridays for
Future empfinden.
Mit derlei Nummern kriegt man mich immer, das
Gute, das sich als Böses entpuppt, um hinterher doch noch etwas
Gutartigkeit preiszugeben. Oder auch andersherum. Und ja, Franzen ist
ein Meister, was das angeht, wie es ihm auch mühelos gelingt, die
seelischen Nöte ganz unterschiedlicher Menschen gegen- und füreinander
in Stellung zu bringen. Und vielleicht, um zum Beginn zurückzukommen,
ist auch das der Grund, warum es aktuell „Frauenliteratur“ gibt. Da man
solche Bücher, die allen Geschlechtern und allen Altersklassen gerecht
werden, aus Frauenhand sehr selten findet. Autorinnen, die weibliche
Sichtweisen schildern überschwemmen den Markt und zumeist geht damit
eine Kritik am „Patriarchat“ einher, oft auch Forderungen. Das ist sehr
okay, findet man aus Männerfeder andersherum aber sehr selten und wenn,
dann nicht so explizit. Es ist richtig, dass mein Regal pickepackevoll
ist mit Büchern von Autoren. Aber müsste ich eines rausziehen, wo es so
ein bißchen um Männerrechte geht, ich müsste lange suchen, gibt es kaum.
Ich würde dann wohl ausgerechnet das Buch einer Autorin empfehlen:
Monika Maron – „Artur Lanz“. Jaja, hat schon seinen Grund, warum Frau
Maron nicht unter Frauenliteratur läuft, sondern definitiv Literatur
ist.
Natürlich gibt es sehr viele Autoren, die mittels männlicher
Protagonisten ein Männerleben beschreiben, aber das ist eben selten
Geschlechtspolitik. Und kann daher schwerer auf „Mann“ reduziert werden.
Deswegen ist z.B. Bukowski auch keine Männerliteratur, obschon man
versucht ist es bei ihm zu behaupten. Da ist zu wenig Opfergestus, zu
wenig Ruf nach irgendeiner Gerechtigkeit, auch Frauenanklage ist da kaum
zu finden, weswegen der Begriff der Frauenfeindlichkeit ja auch gerade
bei ihm so kontrovers diskutiert wird. Bukowski ist Hobo-Literatur, die
weiderum auch Frauen überraschend oft anspricht, da das ein generelles
Menschenphänomen ist.
Ich sehe (wie gesagt: aktuell) selten bis
gar nicht Bücher von Autorinnen, die sich ganz oder anteilig dem
Schicksal eines Mannes verschreiben, die einen männlichen Protagonisten
wählen, in ihn eintauchen, seine Probleme ausarbeiten, dabei auch bereit
sind weibliche Fiesheit darzustellen. Erliege ich da einer selektiven
Wahrnehmung? Möglich, klar. ich weiß lediglich, dass ich in den letzten
zwei Jahren sehr viele Bücher von Autorinnen gelesen habe und mir locker
fünfmal soviele Besprechungen angeschaut habe. Auf ein größeres
Interesse von Autorinnen an Männerproblemen bin ich da so gut wie gar
nicht gestoßen. Das gab es immer nur im Zusammenhang mit feministischen
Forderungen, wenn man sich auf Fehlersuche bei Männern begab, um zu
ergründen warum das Leben nicht so läft, wie es laufen sollte.
Und
umso länger ich darüber nachdenke, desto weniger verstehe ich den
deutschlandfunk’schen Abgesang auf wuchtige Familienwerke von alten
weißen Autoren, so wie eben Franzens „Crossroads“, das sich überwiegend
leicht und spannend, psychologisch sehr interessant lesen lässt und nur
hin und wieder unnötig langatmig auf der Stelle tritt. „Weg“ ist ja
bekanntlich keine Richtung und so wäre es doch angenehmer, wenn Franzen
weiter seiner Paradedisziplin nachgeht bis endlich Autorinnen kommen und
ihn ersetzen. Auch derlei Bücher vorlegen.
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