Das Tartarus-Projekt von Gerd Schilddorfer, Wolfgang Wagner

Sind Sie sicher, dass die Fliege an der Wand tatsächlich ein lebender
Organismus ist? Oder eine Mini-Drohne, die Ihnen auf Schritt und Tritt
folgen kann, die Sie beobachtet und einen Strom von intimen Bildern und
persönlichen Informationen in eine Cloud schickt?
Daten, die Sie
erpressbar machen, berechenbar, ausgeliefert all jenen, die darauf
Zugriff haben. Doch es kann noch schlimmer kommen...
Eine
feuchtfröhliche Party im Nobelvorort Grünwald bei München endet in einem
Horrorszenario der Gastgeber, ein erfolgreicher Unternehmer, wird an
die Heizung gekettet, verstümmelt, ermordet und angezündet. Michael
Landorff, Journalist und Autor, der zu seiner eigenen Überraschung auf
der illustren Einladungsliste stand, beginnt auf eigene Faust
Nachforschungen anzustellen. Dabei trifft er auf Alexandra Buschmann,
eine professionelle Pokerspielerin, die ebenfalls eingeladen war, obwohl
sie den Hausherrn nicht einmal kannte. Gemeinsam machen sie sich auf
den Weg, die Hintergründe des grausamen Todes zu erforschen und geraten
dabei immer tiefer in ein Netz aus Geheimdiensten, Wirtschaftsinteressen
und politischem Kalkül. Schon bald laufen sie um ihr Leben. Denn es
geht um eine weltweite Bedrohung von ungeahntem Ausmaß. Das
Tartarus-Projekt.
Produktinformation
Spieldauer 9 Stunden und 4 Minuten
Geschrieben von Gerd Schilddorfer
Gesprochen von Wolfgang Wagner
Whispersync for Voice Verfügbar
Audible.de Erscheinungsdatum 11 März 2021
Verlag Audible Studios
Format Hörbuch
Version Ungekürzte Ausgabe
Sprache Deutsch
ASIN B08WX3NTYS
High German (Standard German)
Amazon Bestseller-Rang Nr. 9,977 in Audible Hörbücher & Originals (Siehe Top 100 in Audible Hörbücher & Originals)
Nr. 372 in Psychologische Thriller
Nr. 900 in Psycho-Thriller
Nr. 1,402 in Suspense-Thriller
Dieser
Thriller von Gerd Schilddorfer beginnt ein wenig ander als üblich:
Statt zerstückelter Leichen, Verfolgungsjagden oder Polizeieinsatz,
befinden wir uns gemeinsam mit Michael Landorff auf einer langweiligen
Party des Münchener Industriellen Gregory Winter. Während die anderen
Partygäste Spaß haben, fragten sich der Journalist und Buchautor
Landorff was er denn hier verloren hätte. Nun gut, er trifft Melissa,
eine Werbefachfrau, die ihn als Autor, egal wie, vermarkten möchte, aber
sonst?
Auch Alexandra Buschmann, die Tochter von Winters
Geschäftspartner, ist eingeladen, obwohl sie seit einem Zerwürfnis
nichts mehr mit ihrem Vater zu tun haben wollte, und fühlt sich fehl am
Platz.
Als dann der Gastgeber brutal gefoltert und anschließend
ermordet wird, scheint das zufällige Zusammentreffen von Michael und
Alexandra durchaus vom Opfer geplant worden zu sein. Und Gregory wird
nicht der einzige Tote bleiben.
Gemeinsam versuchen Michael und
Alex, die Hintergründe aufzuklären. Sie sind zwar der Polizei immer
einen Schritt voraus, aber gleichzeitig auch Zielscheibe für..... Genau,
wer jagt die beiden? Die vorgebliche Versicherungsagentin, deren
Arbeitgeber in Israel sitzt? Oder der anonyme Anrufer aus dem BND? Und
was hat es mit dem Tod des jungen Zahlmann auf sich? Hat der Sohn des
Caterers etwas gesehen, was er nicht sehen sollte? Hängen die Morde mit
dem Firmenkonglomerat, dass Winter erst vor Kurzem um teures Geld
verkauft hat, zusammen? Was hat der Konzern so Brisantes hergestellt?
Fragen
über Fragen, die Michael und Alex auch nach Wien führen. Wien eine
Stadt, die schon immer als Drehscheibe zwischen West und Ost für den
Austausch brisanter Informationen diverser Geheimdienste fungiert (hat).
„...Wir
sind auf dem Laufenden und kennen sie alle, behindern sie aber nur
selten in ihrer Tätigkeit. Man regelt das alles mit Wohlwollen und
Diplomatie, auf die österreichische Weise. Da gibt es eine lange
Tradition. Wirtschaftliche Interessen der Republik stehen an erster
Stelle, dann sehen wir weiter.“ (S. 184)
Hier in Wien erleben
sie, dass man niemandem trauen kann und darf. Die Grenze zwischen Freund
und Feind verschwimmt mitunter. Puzzleteil um Puzzleteil fügt sich zu
einem Gesamtbild zusammen, das einen schaudern lässt.
Meine Meinung:
Gerd
Schilddorfer ist es wieder prächtig gelungen, Fakten und Fiktion zu
verknüpfen. Er malt das Schreckensszenario des totalen
Überwachungsstaates, in dem die Bürger bespitzelt und nötigenfalls auch
mit letzter Konsequenz ausgeschalten werden sollen, in schillernden
Farben aus. Gekonnt werden darin aktuelle Ereignisse, wie der Tod von
Qasem Soleimani, integriert und wissenschaftliche Entwicklungen auf die
Spitze getrieben. Denn, während sich viele Menschen noch darüber
aufregen, dass die Dohne vom Nachbarjungen über ihren Köpfen surrt, sind
die einschlägigen Erfinder schon viel, viel weiter. Die Geheimdienste,
und hier nicht nur die der Schurkenstaaten (wobei die Bezeichnung
Schurkenstaat von der Perspektive abhängt) rüsten auf, um noch schneller
zu ihren Informationen zu kommen. Künstliche Intelligenz, kurz KI, soll
dabei helfen, Kriege und Destabilisierung zu erreichen, ohne sich die
Finger schmutzig zu machen.
Wer nun glaubt, das wäre
ausschließlich den Gedanken des geschätzten Autors entsprungen, den muss
ich diese Illusion rauben. Mini-Drohen, die als Insekten getarnt
herumschwirren, sind bereits entwickelt. Es stellt sich die Frage, ob
die Fliege an der Wand tatsächlich ein Lebewesen oder nicht doch ein
künstliches Gebilde ist.
Der Thriller, der zunächst mit der
seltsamen und langweiligen Party beginnt, nimmt recht bald gehörig Fahrt
auf. Der Journalist und Buchautor Michael Landdorff antwortet seiner
neuen Agentin recht treffend auf die Frage nach dem Stand des neuen
Buches:
„So ziemlich mittig. Ich erinnere mich nicht mehr an den Anfang, dafür liegt das Ende noch völlig im Dunkeln.“ (S. 11)
Ich
mag diese Wortspiele von Gerd Schilddorfer, zeugen sie doch von
schwarzem Humor und Menschenkenntnis. Auf jede Frage gibt es eben eine
entsprechende Antwort. Mit der Figur der Melissa scheint der Autor mit
der Verlagsbranche ein Hühnchen rupfen zu wollen, mit der er in seinem
Autorenleben schon den einen oder anderen Strauß ausgefochten haben mag.
Die Vermarktungsstrategie von Melissa ist ganz einfach: „Nur tote
Dichter pfuschen ihren Agenten nicht ins Handwerk“ (S. 31). Er
widerspricht nicht (mehr) und die Auflagen sowie die Verkaufszahlen
schnellen in die Höhe.
Das Buch bleibt bis zur letzten Seite
spannend und zeigt wieder einmal, dass man genau überlegen sollte, wem
man in seinem Umfeld wirklich vertrauen kann.
Der Titel
„Tartarus-Projekt“ ist gleichsam Programm. Denn der „Tartaros“ ist in
der griechischen Mythologie der Abgrund, in dem die bösen Seelen nach
ihrem Tod verweilen müssen. Reißt das Streben nach immer größerem
Hightech die Menschheit in den Abgrund?
Fazit:
Ein
Thriller, der durch seine sprachliche Gewandtheit und Aktualität
brilliert und gleichzeitig zum Nachdenken anregt. Hier gebe ich eine
unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne. Schade, dass nicht mehr möglich
sind.
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